Regierung gegen Volksinitiative "Für eine naturverträgliche und ethische Jagd"

von VJBH Administrator

Die Regierung des Kantons Graubünden empfiehlt dem Grossen Rat, die kantonale Volksinitiative "Für eine naturverträgliche und ethische Jagd" abzulehnen. Die Initiative hat ein jagdkritisches Fundament. Sie richtet sich grundlegend gegen die Jagd als Institution. Im Ergebnis stellt die Initiative das heutige Jagdsystem in seinen Grundfesten in Frage, verfehlt aber gleichzeitig die eigenen Ziele des Tierschutzes.

Die Regierung hat eine ergänzende Botschaft zur kantonalen Volksinitiative "Für eine naturverträgliche und ethische Jagd" zuhanden des Grossen Rats verabschiedet. Die Volksinitiative zielt auf eine Teilrevision des kantonalen Jagdgesetzes und will die heutige Jagd in zahlreichen Punkten einschneidend verändern. Die Initiative war 2015 vom Grossen Rat für teilungültig erklärt worden. Die von den Initiantinnen und Initianten angerufenen Gerichtsinstanzen beurteilten dagegen die Initiative vollumfänglich als gültig. Das Parlament wird sich entsprechend mit der Vorlage nochmals beschäftigen, bevor sie dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden kann.

Bündner Jagd hat einen hohen ökologischen Standard

Mit dem Namen der Initiative wird signalisiert, dass die heutige Jagd weder naturverträglich sei, noch einen hohen ethischen Standard habe. Die Regierung teilt diese Einschätzung nicht. Die eidgenössische und die kantonale Jagdgesetzgebung weisen in Bezug auf die Anliegen des Tierschutzes einen hohen Standard auf. Die Vielfalt der Wildtierarten und ihre Bestandesgrössen, die Qualität der Lebensräume sowie die Ansprüche der Menschen und Forderungen der Gesellschaft unterliegen im Verlauf der Zeit einer stetigen Veränderung. Der Schutz und die Jagdbarkeit von Wildtierarten sowie die Rahmenbedingungen für die jagdliche Nutzung werden deshalb laufend überprüft und angepasst. So wurden in den letzten Jahren ein weitgehendes Verbot der Fallenjagd, die Einführung der jagdlichen Schiesspflicht sowie bleifreie Kugel- und Schrotmunition eingeführt, womit verschiedene Anliegen gemäss der Initiative bereits umgesetzt sind. Die Bündner Patentjagd in der heutigen Form ist eine auch ausserhalb des Kantons weitherum anerkannte Synthese von wildbiologischen, ökologischen, ökonomischen und kulturellen Werten.

Tierschutzaspekte bereits heute stark berücksichtigt – Initiative verfehlt Ziele

Kern der Initiative bilden zusätzlich zur Abschaffung der Vogeljagd die Ausdehnung des Schutzes von Mutter- und Jungtieren sowie die Verlängerung der Schonzeiten. Die beabsichtigte Vermeidung einer Bejagung in den Wintermonaten sowie von Mutter- und Jungtieren erreicht sie damit aber nicht. Vielmehr hätte die Umsetzung der Initiative eine Preisgabe des heutigen zweistufigen Jagdsystems mit Hoch- und Sonderjagd zur Folge und wäre die private Jagd neu durch eine staatlich organisierte Regiejagd zu ergänzen, welche – in gegenüber heute gar längeren Zeitfenstern – die Bestandesregulierung im Winter sicherstellen müsste. Überdies würde eine Vorverlegung des Hochjagdbeginns in den August und damit in die Feistzeit der Wildtiere erforderlich, was aus tierschützerischer Sicht als weitere Verschlechterung zu beurteilen ist. Eine Bejagung zu gemäss der Initiative nicht erwünschten Zeiten bliebe unvermeidlich.

Jagdkritische Initiative

Die Initiative hat ein jagdkritisches Fundament. Sie wird getragen von der transparent dargestellten Überzeugung der Initiantinnen und Initianten, dass sie die Jagd falsch finden und die private Jagd grundsätzlich ablehnen. Eine Jagd nach dem gemäss der Initiative angestrebten Muster würde dazu führen, dass die heutige erlebnisreiche, weitherum geachtete und nachhaltige Form der Nutzung des Jagdregals mit den Wildtieren als natürliche Ressource aufgegeben und in eine staatlich sichergestellte Form der Bekämpfung der Schädigung durch Wildtiere überführt werden würde. Gemäss der Initiative sollen ausserdem im Amt für Jagd und Fischerei sowie in der Jagdkommission Tierschützerinnen und Tierschützer/Jägerinnen und Jäger sowie Nichtjägerinnen und Nichtjäger in Zukunft paritätisch vertreten sein. Die Wildhüterinnen und Wildhüter müssten künftig Alkoholtests im Jagdgebiet durchführen und im Weiteren sollen Kinder bis zu 12 Jahren nicht auf die Jagd mitgenommen und schulisch nicht zur Jagd motiviert werden dürfen. 

Im Ergebnis stellt die Initiative das heutige Jagdsystem der Bündner Patentjagd in seinen Grundfesten in Frage und verfehlt ihrerseits die eigenen Ziele des Tierschutzes (Mutter- und Jungtierschutz; Winterruhe) teils deutlich. Die Regierung empfiehlt dem Grossen Rat, die kantonale Volksinitiative "Für eine naturverträgliche und ethische Jagd" aus diesen Gründen abzulehnen.

Quelle: Medienmitteilung der Bündner Standeskanzlei vom 26. November 2020⇒.

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